Titelseite der Annelsbacher Dorfchronik

Ein kleiner Auszug aus der Annelsbacher Dorfchronik

Abbildung eines ehemaligen Schafstalls der Familie Kredel
Ehemaliger Schafstall der Familie Kredel um 1965, im Innern befand sich eine private Zwetschendörre; vor dem Gebäude: Else König. Foto: Archiv

… . Im Bereich des Mümlingtals ist eine Abnahme der in der Landwirtschaft Tätigen während des Zeitraumes von 1861 bis 1925 um 17 % zu verzeichnen; Während die Beschäftigten in der Industrie um 31 % zunahmen. Die Bevölkerung von Annelsbach reduzierte sich in dem angegebenen Zeitraum um 24%. Als Ursache für diese Wanderungsbewegung ist in erster Linie die fortschreitende Industrialisierung zu nennen, die eine Umgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung infolge des Übergangs zur maschinellen Erzeugung in Großbetrieben bewirkte. Der Wandel vom Agrar- zum Industriestaat hatte ein Anwachsen der erwerbstätigen Bevölkerung auf Kosten der Landwirtschaft zur Folge. Von diesen Auswirkungen blieb auch das landwirtschaftlich strukturierte Annelsbach nicht verschont. Für die zahlreichen nachgeborenen Kinder und das Gesinde war der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert. Sie verließen ihre Heimatgemeinde und fanden Aufnahme im Gewerbe und in der Industrie, wo sie auch höhere Einkünfte erzielten. Nicht ohne Einfluss blieben die konjunkturellen Verhältnisse. In Zeiten industrieller Hochkonjunktur steigerte sich der Bedarf an Arbeitskräften, der aus dem ländlichen Reservoir befriedigt werden konnte; wie er sich in Zeiten der Rezession verringerte. Aber auch die jeweilige wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft beeinflusste das Schwinden der ländlichen Bevölkerung. Als Folge sinkender Getreidepreise, die im Zeitraum von 1870 bis 1880 wegen der Einfuhren aus Russland und den USA um ca. 15 % fielen, erlitt die Landwirtschaft existenzbedrohende Einbußen.

In diesem Zusammenhang mag erwähnt werden, dass die früher so ausgedehnten Zwetschenbestände durch den kalten Winter 1879/80 stark reduziert wurden. Durch die hohe Brennsteuer und die Einfuhr gedörrter Zwetschen aus Bosnien wurde der Zwetschenanbau immer weniger lohnend, so dass man die abgegangenen Bäume nicht mehr in der gleichen Zahl ersetzte, sondern den Zwetschenbaumbestand dem tatsächlich verkleinerten Bedarf anpasste. In guten Jahren konnten die Obstzüchter, die eine eigene Zwetschendörre besaßen - und das war in den meisten Annelsbacher Hofreiten der Fall - bis zu 2.000 Mark für Dörrobst erlösen, das meist durch Makler nach Mainz verkauft wurde. Wenn auch die bäuerlichen Betriebe in Annelsbach von der Entwicklung während des behandelten Zeitraumes nicht unberührt blieben, so haben sie sich doch als im Kern gesund und krisenfest erwiesen.